Als mein neuer Psychiater mir erklärte, wie ein Trauma im Hirn gespeichert wird, und auch wie es – in groben Zügen therapiert wird – kam mir die Idee eine Chronik zu erstellen.

Normalerweise wird eine Erinnerung, welcher Art auch immer, an einem Ort im Hirn gespeichert. Wenn man sich zum Beispiel an Weihnachten in der Kindheit erinnert, ist sind eigentlich alle Assoziationen und Gedanken geordnet abrufbar. Man erinnert sich an Schnee, den Baum, den Geruch von Weihnachtsgebäck oder aber auch an die nervige Familie, das was man halt damals so wahrgenommen hat.

Bei einem Trauma werden diese Assoziationen und Erinnerungen aber nicht an einem Ort gespeichert. Es gab da ein Problem bei der Verarbeitung und die Einzelheiten liegen verstreut im Hirn herum.

Um das Ganze nun zu verbinden wird in der Traumatherapie viel mit Strukturierung gearbeitet. Man versetzt sich in die Situation und versucht so viel wie möglich zu rekapitulieren und eine Verbindung zu schaffen. Die Erfahrung habe ich vor allem beim Brainspotting gemacht.

Ich habe nun all meine Erlebnisse und Traumata chronologisch aufgeschrieben und es dauerte 2 ganze Nächte. Und auch viel Überwindung. Aber es brachte mir auch unheimlich viel. Ich fühlte mich, als hätte ich mir gerade eine riesige Last von der Seele geschrieben. Am Tag danach war ich auch überaus entspannt und ich merkte auch wie viel entspannter ich mit meinem Kind umging.

Natürlich war ich während dem Schreiben sehr aufgewühlt, aber jetzt bin ich froh, einen Leitfaden zu haben und zu sehen, was alles noch aufgearbeitet werden muss. Natürlich konnte ich so auch einkreisen, wann mir mein großes Trauma widerfahren ist. Es war nicht, als ich 7 sondern schon als ich 5/6 Jahre alt war. Irgendwann 1994 musste es passiert sein, denn noch ein Jahr davor hatte ich noch keine Angst, als sich ein Kind in der Kindergartengruppe übergeben hat. Ich war nur sehr eingeschüchtert, da die Kindergärtnerinnen uns panisch aus dem Raum gescheucht haben.

Mir sind aber noch viele andere Dinge aufgefallen und klar geworden. Zum Beispiel, dass mir die Salmonellen eine weitere Angst hinzugefügt haben (erweiterte Phobie), nämlich die vor Durchfall. Diese Angst hat sich dann selber wieder gelegt nach ein paar Jahren, weil ich nicht nochmal retraumatisiert wurde.

Dann ist mir auch klar geworden, was meine eigentliche Grundangst ist. Ich wurde immer am Anfang von Therapien oder auch von meinen Psychiatern gefragt, was meine Grundangst ist. Ich dachte immer es wäre zu ersticken, oder dass es nicht aufhört. Bei vielen Emetophobikern ist es zum Beispiel die Angst vor Blamage, das trifft auf mich überhaupt nicht zu.

Bei mir ist es:

  • Angst allein gelassen zu werden
  • Nicht weg zu können und gefangen zu sein
  • Dass der Zustand ewig so bleibt

Die letzteren beiden Ängste gehören auch irgendwie zusammen.

Am schönsten fand ich es die Ereignisse Revue passieren zu lassen, in denen ich noch keine Phobie hatte. Ich war immer schon medizinisch interessiert am menschlichen Körper und seine Vorgänge. Mit 6 Jahren habe ich zum Beispiel bei einer Anatomie-Ausstellung die Info aufgesucht, die gerne Fragen von Kindern zum menschlichen Körper beantwortete. Ich habe gefragt, warum man an Magenkrebs stirbt. Nach einem etwas verstörten Gesichtsausdruck der Dame fing sie aber an mir anhand einer Skizze zu erklären, warum das so ist.

Beim Erbrechen war es genauso. Ich wollte zum Beispiel mit meiner Cousine mitgehen, die zu unserer Oma meinte, ihr ist schlecht, sie muss brechen gehen. Meine Oma und meine Mama wollten mich davon abhalten mitzugehen, aber ich war eben interessiert, was da passiert. Geekelt habe ich mich davor nie.

Was mache ich nun mit der Chronik?

Mein nächstes Ziel ist es die einzelnen Ereignisse durch expressives Schreiben aufzuarbeiten. Und ich möchte mit einem Erlebnis beginnen, dass ich zuvor noch in keiner Therapiestunde besprochen habe, aber trotzdem mich noch halbwegs gut erinnere und eigentlich sehr heftig reagiert habe.