Seit einigen Jahren hat sich meine Emetophobie erweitert. Ich habe zusätzlich Angst vor dem Zahnarzt bekommen. Ich war ein Kind, dem Zahnarztbesuche egal waren. Wenn ich einen Zahnspangenabdruck machen musste, hatte ich meine Atmung so unter Kontrolle, dass ich nicht einmal würgen musste.
Aber damals war meine Emetophobie auch etwas anders ausgeprägt. Während der Pubertät hat sie sich gewandelt und ist nun stärker auf mich selbst fixiert. Das bedeutet, dass ich seit meiner Pubertät auch nicht mehr beim Zahnarzt war. Etwas über 10 Jahre.
 

Die Odyssee – Krankenkasse bezahlt Vollnarkose 

Als im Jahr 2013 meine Zähne dann in einem so miserablen Zustand waren, musste ich einen Zahnarzt aufsuchen. Dieser konnte mich natürlich nicht behandeln und verwies mich zur Krankenkasse. Ich solle mich dort für eine Operation unter Vollnarkose anmelden. Normalerweise bekommen nur „Personen mit besonderen Bedürfnissen“ von der Krankenkasse eine Vollnarkose beim Zahnarzt genehmigt. Mit „Personen mit besonderen Bedürfnissen“ sind eigentlich Menschen mit geistiger Behinderung gemeint, bei denen es nicht zumutbar ist, dass sie während einer Behandlung ruhig halten. Mein Arzt meinte aber, dass ich ja auch ein „besonderes Bedürfnis“ habe.
So kam es, dass mir 4 Zähne gezogen und zwei plombiert worden waren. Da diese Behandlung von der Krankenkasse bezahlt wurde, wurde aber nur das Nötigste gemacht. So kam es, dass bereits nach ein paar Monaten ein weiterer Zahn zersplitterte und sich einige Plomben lösten.
 
Kurz vor Silvester 2014 musste ich wieder auf den Stuhl. Die Schmerzen waren so schlimm, dass nicht einmal mehr 5 Stück Schmerztabletten halfen. Mit im Gepäck hatte ich vom Arzt verschriebene Psychopax. Die sollen bekanntlich helfen. Ruhig war ich – ja – aber dann am Stuhl packte mich wieder die Panik. Obwohl 15 Tropfen mich total ruhig und schlaff werden lassen, halfen sie nichts gegen die Stärke der Panikattacke. Mit Ach und Krach hielt die Assistentin meine Hände, da ich immer wieder reflexartig um mich schlug. Ihre sanftmütige Art beruhigte mich etwas und ich konnte die Tortur überstehen. Der Zahnarzt mahnte mich aber ab, dass ich in zwei Wochen die Wurzelbehandlung fertig machen müsse… tja, jetzt haben wir es Ende Juli.
 

Die Rettung – Privat bezahlte Vollnarkose

Die letzten sieben Monate war ich in der Hinsicht aber nicht untätig geblieben. Ich recherchierte nach Zahnärzten, die spezialisiert auf Angstpatienten sind und wurde fündig. Leider war die Ärztin, die ich entdeckt hatte, heillos überrannt und ich bekam erst am 17. Juli einen Termin. Tage davor machte sich bereits ein mulmiges Gefühl in der Magengegend breit. Aber da musste ich durch. Die provisorischen Plomben, waren bereits ausgefallen und das Zahninnere lag blank. So träufelte ich mir wieder Psychopax ein und trat den strapaziösen Weg zur Klinik an. Angekommen nahm man meine Daten auf und ich wurde geröntgt. Einstweilen war mir, dank der Tropfen, noch immer alles egal, doch dann wurde ich in den Behandlungsraum gerufen. Dort wartete ich. Ganz alleine. Alleine mit unheilvollen Gedanken. Mit Gedanken an 4 Hände und zwei Geräte in meinem weit aufgerissenen Mund.
 
Eine freundliche Gestalt, betrat lächelnd den Raum und kam auf mich zu. Sie hörte sich meine Geschchte an und fragte mich nach meinen Erlebnissen. Nachdem ich ihr meine zurückliegende Odyssee beschrieben habe, verzog sie bitterlich das Gesicht. Sie konnte mich so nicht behandeln. Es gäbe nur zwei Möglichkeiten: Lachgas oder wieder eine Vollnarkose. Von Lachgas riet sie mir aber ab, da es nicht einmal so stark war, wie Psychopax und dann eventuell auch die Panikattacken durch kämen. Mir blieb also nichts anderes übrig, als eine Vollnarkose. ABER sie versprach mir, wirklich alles zu behandeln. Jede kleinste Kleinigkeit zu sanieren und anschließend eine Mundhygiene durchzuführen. Ich hätte dann ungefähr 10 Jahre wieder eine Ruhe. Das war das ausschlaggebende Argument. Ich müsste nur einmal jährlich zur Kontrolle kommen. Kurz reinschaun und das war’s.
 

Ein Angebot, dass man nicht ablehnen kann

Dieses verlockende Angebot konnte ich nicht ablehnen! Ja, aber das hat natürlich seinen Preis. Die Behandlung wird ca. 2-3 Stunden dauern und mich ca. 1600-2100€ kosten. Für einen späten Lehrling wie mich, sind das drei volle Monatsgehälter. Ich brauchte Zeit zum Denken und Besprechen. Mein Partner sagte sofort zu und unterstützt mich da vollkommen, aber irgendwie befällt mich ein schlechtes Gewissen. Es ist so viel Geld und bald möchten wir auch eine Familie gründen. Aber es geht nicht anders. Eine Emetophobie kostet eben.

Fazit & Nachtrag zum Thema Zahnarzt

Natürlich nahm ich das Angebot an. Die Behandlung dauerte dann aber doch 4 Stunden, weil so viel zu tun war. Kostenpunkt: 2300€. Es wurde aber wirklich viel gemacht: 2 Zähne zusätzlich gezogen, alle Plomben neu (glaube das waren 6), Mundhygiene, Kronenaufbau bei 2 Zähnen. Aber es zahlt sich aus, denn 7 Jahre später sitzt noch immer alles und es hat sich bewahrheitet: Einmal im Jahr schaue ich zum Zahnarzt, es wird kurz nur reingesehen und ich darf wieder gehen. Die Zahn-OP, bei der ich privat bezahlt habe, war das Geld wirklich wert. Und wenn ich das alle 10 Jahre machen muss, dann kann ich pro Jahr einfach nur 230€ ansparen und hab in 10 Jahren wieder das Geld für eine Kiefersanierung zusammen.