Ganz am Anfang der Diagnose Emetophobie fühlt man sich überwältigt, allein und will sie schnell wieder loswerden. Aber wie soll man sich in dem Dschungel an Therapiemöglichkeiten zurechtfinden und vor allem wo beginne ich?

Es gibt viele Therapieansätze und auch viele Studien rund um die Therapien gegen Emetophobie. Sie alle haben im Großen und Ganzen den gleichen Ausgang: Bei den einen helfen sie, bei anderen eher nicht. Daher der Versuch einen Guide zu erstellen, um einen Überblick zu bekommen.

Dieser Artikel ist Triggerfrei

Warum ist die Emetophobie so hartnäckig?

Die Emetophobie ist genauso individuell, wie ihre Geplagten. Sie hat viele Gesichter. Fast keine Erkrankung gleicht der anderen, das heißt aber nicht, dass sie nicht heilbar ist. Nur gestaltet sich dadurch die Suche nach der geeignete(n) Therapieart(en) schwieriger, als zum Beispiel bei Arachnophobie. Was genau macht die Emetophobie so mannigfaltig?

  • Ursachen: Trauma, genetische Disposition, psychische Disposition
  • Begleiterscheinungen: keine Begleiterscheinungen, über Vermeidungsverhalten, bis hin zu einer unendliche Liste an psychischen und psychosomatischen Erkrankungen (Zwängen, erweiterte Phobien, generalisierten Angststörungen, Depressionen, PTBS, Magengeschwüre, Gastritis,…).
  • Ausprägung: Irritiertheit, über Schockstarre, Schüttelfrost, bis hin zu gewaltigen Panikattacken.
  • Auslöser: Trigger wie Worte, Gegenstände, Personengruppen, Aktivitäten oder aber auch einfach nur die eigenen Gedanken
  • Grundangst: Kontrollverlust, Blosstellung oder Angst vorm Ersticken und dem Tod
  • Angst davor: dass man selbst betroffen ist, ein anderer betroffen ist oder man könnte dabei von anderen beobachtet werden.
  • Manifestation/Gegenwärtigkeit: Nur in akuten Situationen, periodischen Schüben oder aber auch rund um die Uhr in allen Lebenslagen

Man sieht also: Wer eine Therapie anbietet, die jeden Emetophobiker heilen kann, der lügt. Aber wie findet man nun die richtige Therapie für sich selbst?

Standardverfahren nach Schema F

Üblicherweise ist bei spezifischen Phobien eine Verhaltenstherapie mit oder ohne Konfrontation angezeigt. Das bedeutet man besucht mit dem Verdacht auf Emetophobie einen Psychiater, der wird einen nach der Anamnese Medikamente und/oder eine Verhaltenstherapie anraten. Aber halt, so einfach ist das nicht. Vor allem dann nicht, wenn sie sich – wie bei vielen – schon jahrelang festgefressen und die verschiedensten Begleiterscheinungen entwickelt hat.

Natürlich, Verhaltenstherapie kann helfen, aber es kann sein, dass sie zu einem ungünstigen Zeitpunkt der Emetophobie begonnen wird, und so die Behandlung lange dauert, man ein Vermögen ausgibt und man im Endeffekt wieder Rückfällig wird. Das muss aber nicht sein. Bevor das große Rumprobieren an Therapien losgeht hier einige Denkanstöße:

Nach der Diagnose – wo beginnen?

Wenn man die Diagnose Emetophobie erhalten oder selbst herausgefunden hat, gilt es sich einen guten Psychiater zu suchen, der nicht nach Schema F handelt und auf seine Patienten eingeht. Meist werden Antidepressiva verschrieben um den Leidensdruck durch die Angst zu nehmen. Für schlimmere Fälle Psychopharmaka, wenn der Hut brennt. Weiters wird eine Psychotherapie angeraten und hier wird es interessant. Damit man die Emetophobie wieder loswerden kann, gibt es vorweg einige Fragen zu klären:

Selbstreflexion

Egal was man an seinem Leben ändern möchte, man beginnt am besten mit leichten Aufgaben und feiert dann die kleinen Erfolge.

Selbst ein Weg mit 1000 Meilen, beginnt mit dem ersten Schritt.

Man sollte sich im Vorhinein, entweder vor dem Besuch beim Psychiater oder mit ihm gemeinsam, einmal über Folgendes klar werden:

  • Was ist meine Grundangst? – Danach richtet sich meist auch der Therapieansatz: Kann ich Kontrolle abgeben und loslassen? Wenn nicht bringt zB eine Hypnose nichts. Angst vor Bloßstellung oder doch Angst vorm Ersticken? Bei der Konfrontationstherapie erkennt man, dass man nicht sterben muss.
  • Woher kommt meine Angst? – Kann dem ein Trauma zugrunde liegen, das ich schlicht verdrängt habe? Dann wäre vorweg eine Traumatherapie angeraten.
  • Was behindert mich in meinem Leben zur Zeit am meisten? Die Emetophobie wird manchmal von zahlreichen anderen Erkrankungen (zB. Zwänge) begleitet oder ist manchmal sogar selbst nur ein Symptom (eines Traumas).
  • Was glaube ich, könnte ich relativ rasch ablegen? Vermeidung, Sicherheit, Zwänge, etc.

Was zuerst therapieren?

Was soll man bei Emetophobie zuerst therapieren? Die Emetophobie ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich ausgeprägt und kann verschiedenste Begleiterscheinungen entwickeln. Und diese können das Leben stark einschränken. Man kann von folgenden Ausprägungen aus therapieren:

Vermeidungsverhalten

Meiner Ansicht nach das „leichteste“. Man muss zu Beginn nicht jede Art der Vermeidung ablegen und kann nach seinem eigenen Tempo arbeiten. Ganz ohne Druck von außen. Nur hin und wieder über seinen Schatten springen. Wenn man es einmal getan hat, kann man wirklich stolz auf sich sein. Man freut sich von mal zu mal mehr über seinen Schatten zu springen und das Erfolgserlebnis zu genießen. Wenn man sich mal nicht traut, ist das auch okay. Mit der Zeit wird man mutiger, das steigert auch das Selbstwertgefühl. (Selbsttherapie, Verhaltenstherapie)

Sicherheitsverhalten

Schon eine Stufe schwieriger, aber trotzdem machbar. Als Sicherheitsverhalten bezeichnet man Vorkehrungen, die man trifft, um ja nicht konfrontiert zu werden. (Zu 99% wird nichts passieren, aber das weiß eh jeder Emetophobiker).

Beispiel: Ich nehme jedes Mal, wenn ich aus dem Haus gehe ein Fläschchen Antiemetikum, Psychopharmaka, eine Wasserflasche und Einweg-Handschuhe in meiner Tasche mit. Man kann das nun von zwei Seiten angehen: 1) Ich lasse mal das weg, was mir am „wenigsten bringen“ würde. Ein paar Tage später das Nächste usw. bis man gar nichts mehr davon in der Tasche hat. 2) Man geht ohne allem mal eine ganz kleine Runde raus (vorher überlegen wie weit!) zB. bis an die Straße oder bis ins Auto. Dann erweitert man den Radius (fährt einmal um den Block) und steigert es dann immer weiter, bis man die Sicherheiten nicht braucht. Nicht vergessen kleine Erfolge auch wirklich zu feiern! (Selbsttherapie, Verhaltenstherapie)

Zwangshandlungen

Hier wird dann schon mehr Arbeit benötigt. Aber mit den richtigen Mitteln, geht auch das leicht von der Hand. Die Zwangshandlungen & -gedanken schränken uns (nebst dem Vermeidungsverhalten) am meisten in unserem Leben ein. Auf keinen Fall sollte man die Zwänge unterdrücken oder verdrängen, das geht nämlich sehr schnell nach hinten los. Man muss also an und mit ihnen arbeiten. Das geht meist aber auch noch in Selbsttherapie (Buch: Erfolgreich gegen Zwangsstörungen*) oder eben durch eine Verhaltenstherapie.

Grundangst

Wenn man sich nun bewusst ist, Grundangst der eigenen Emetophobie ist, kann man im Vorhinein auch an dieser arbeiten. Bei Angst vor Kontrollverlust, die auch eine Art von Zwang ist, kann man gegensteuern. Wenn man Angst vor Bloßstellung hat, an dem eigenen Selbstbewusstsein arbeiten. Bei der Angst vor dem Ersticken/Sterben benötigt man dann schon professionelle Hilfe, denn tiefenpsychologisch lässt sich daheim nicht viel ausrichten. (Selbstreflexion, Psychoanalytik)

Trauma

Nicht alle mit Emetophobie haben ein Trauma erlitten, aber doch einige. Diese sollten unbedingt das Trauma zuerst auflösen oder zumindest mit einer Traumatherapie beginnen bevor man die Emetophobie in Angriff nimmt. Die Gefahr trotz erfolgreicher Behandlung der Phobie durch eine Situation retraumatisiert zu werden, ist zu groß. Wenn man also unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung leidet, ist die Emetophobie meist nur eine Komorbidität, eine Begleiterkrankung, der PTBS. (Traumatherapie)

Emetophobie

Man kann durchaus sofort versuchen die Emetophobie an sich zu therapieren. Empfehlen (aus eigener Erfahrung und den gelesenen Studien) würde ich das nur, wenn die Emetophobie noch nicht so manifestiert ist und keine starken Begleiterscheinungen mit sich bringt, die das Leben stark einschränken. Ansonsten kann sie langwierig, kostenintensiv und in den meisten Fällen von oftmaligen Rückfällen geplagt sein. Das Einzige was sie mir, mit stark manifestierter Emetophobie, gebracht hat war, dass ich mich wieder aus der Wohnung getraut habe, aber nach ein paar Sitzungen wurde es mir zu heftig, ich war noch nicht bereit dafür die Verhaltenstherapie fortzusetzen (Stichwort Konfrontation).

Mit welcher Therapie kann ich nun die Emetophobie loswerden?

Keine und alle. Meistens ist ein guter Mix angeraten. Bei nicht stark manifestierter Emetophobie kann man direkt die kognitive Verhaltenstherapie mit/ohne Konfrontation in Angriff nehmen. Allen anderen sei geraten, damit zu beginnen, was am meisten das Leben einschränkt (Vermeidung, Zwänge, etc.).

Ich bin gerade auf einem sehr guten weg geheilt zu sein und das mit einem Mix aus:

  • Verhaltenstherapie um wieder das Haus verlassen zu können
  • Abstellen der Vermeidungs- & Sicherheitsverhalten in Eigenregie
  • Misslungene Konfrontationstherapie der Therapie, da ich noch nicht bereit war und retraumatisiert wurde
  • Traumatherapie um das Grundproblem mal aufzulösen
  • Zwänge abschwächen und besiegen durch Selbsttherapie mit Buch*
  • BWRT um mein falsch-geschaltetes Hirn wieder richtig zu schalten

Mein Tipp

Beginne damit was dich im Leben einschränkt, du aber glaubst, dass du es überwinden kannst. Wenn es Rückschläge gibt: Kein Problem, dann setzt du einfach woanders an. Probieren geht über studieren. Jeder noch so kleine Erfolg ist ein Erfolg und ein Schritt in die richtige Richtung. Mein Weg dauerte auch 10 Jahre bis zur Diagnose und dann nochmal 15 Jahre in Behandlung um jetzt beinahe geheilt zu sein.

Wozu dieser Leitfaden?

Ich bin bei Gott kein Psychologe, aber ich bin ein Mensch der schon seit 15 Jahren recherchiert und immer die neuesten Entwicklungen in diesem Gebiet verfolgt hat. Vor 15 Jahren gab es dazu fast keine Informationen und nun schießen die Ratgeber, Bücher und Blogs :O) wie Unkraut aus dem Boden. Leider muss man sagen, dass die meisten Emetophobiker mehr über ihre Erkrankung wissen, als manch Ärzte. Betroffene müssen sich damit auseinandersetzen und suchen gezielt nach Lösungen, wie Ursachen. Manchen Ärzten ist die Erkrankung noch gänzlich fremd. Mein Hasuarzt und mein Psychiater mussten vor 15 Jahren noch GOOGELN was Emetophobie überhaupt ist. Deswegen wird heute noch immer die Standardtherapie KVT sofort verschrieben, obwohl sie manchmal nicht effektiv wirken kann, da zuerst vielleicht ein Trauma aufgelöst werden muss, oder die Angst so groß ist, dass eine Konfrontationstherapie traumatisiert.

Dieser Blogbeitrag dient also nur als ein anfänglicher Leitfaden für Personen, die frisch die Diagnose Emetophobie erhalten oder es selbst herausgefunden haben und jetzt nicht wissen, wie es weiter gehen soll. Ich hätte mich damals sehr darüber gefreut, da ich mir damit tausende an Euro gespart hätte und ich hoffe, dass ich das jemandem damit ersparen kann.

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